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| 18.04.12 | Von

Vom Verlagshaus zur Unterhaltungsmaschinerie

Eine Fusion mit Axel Springer sei nicht geplant, sagt Ringier-CEO Marc Walder im cash-Video-Interview. Und er erläutert, wohin der Umbau des Traditionshauses führt.

«Die journalistische Unabhängigkeit ist absolut zentral, weil die ganze Strategie nur funktioniert, wenn das Kerngeschäft weiterhin erfolgreich ist.»
Marc Walder / CEO Ringier AG

Der Jahresbericht 2011 erschien in der Form einer Toilettenpapier-Rolle. Dass Verleger und Verwaltungsratspräsident Michael Ringier gerne Formen der Kunst zitiert, um den Zustand des Verlagsgeschäfts und damit auch der Ringier Gruppe zu deuten, darf in der Vergangenheit wohl niemandem entgangen sein. Niemand könne, sagte Ringier anlässlich der Präsentation der Jahreszahlen am Mittwoch vor den Medien, die aktuelle Situation eines Medienunternehmens besser illustrieren als der italienische Künstler Maurizio Cattelan, der den Ringier-Jahresbericht gestaltet hat. Er, Cattelan, habe in einer Ausstellung im Guggenheim Musuem in New York die Perspektive der Zuschauer verändert. Es gehe darum, sich neu zu erfinden, sich neu zu denken, erklärte Riniger.

Freilich lässt sich über Allegorien streiten, klar ist indes: Die Ringier-Gruppe hat in den letzten zehn Jahren einen bemerkenswerten Wandel vom traditionellen Verlagshaus hin zu einem modernen Medienhaus mit diversifizierter Wertschöpfungskette durchlaufen.

Das Kerngeschäft, also die publizistische Kompetenz, so CEO Marc Walder im cash-Video-Interview, bleibe jedoch das wichtigste Standbein des Verlagshauses. Bloss, die Zukunft liegt im Drei-Säulen-Prinzip, auf das der Konzern setzt: Verlagsgeschäft, Digital Business und Entertainment. So wird das Traditionshaus den Fokus inskünftig noch stärker auf jene Bereiche legen, bei denen es mehr Geld zu verdienen gibt, nicht zuletzt um die „Abhängigkeit von Wirtschaftszyklen zu reduzieren“, wie Walder erklärte. Demnach soll das Digital- und Entertainmentgeschäft weiter wachsen – und damit der Umbau des Traditionshauses zur Unterhaltungs- und Mediendienstleister vorangetrieben werden.

Fast wie im Krisenjahr 2009

Ringiers Umsatzentwicklung sei eine deutliche Bestätigung der strategischen Ausrichtung auf Diversifizierung und Ausbau des Geschäfts mit digitalen Medien, dessen Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozent gesteigert werden konnten, sagt Walder. Im publizistischen Kerngeschäft mit Zeitungen und Magazinen haben dagegen zurückgehende Werbeerlöse die Umsatzentwicklung beeinträchtigt.

Der Umsatz blieb mit 1,147 Milliarden Franken um 9 Prozent hinter dem Vorjahresergebnis zurück. Zusätzlich hat der starke Franken und das Druckereigeschäft, welches ein Horrorjahr erlebte, die Bilanz zusätzlich belastet. Der Gewinn fiel gar von 61,7 auf 22,8 Millionen Franken. Das entspricht fast dem Wert des Krisenjahres 2009, als der Gewinn nur noch 17,2 Millionen Franken betragen hatte.

Um wieder auf Wachstumskurs zu kommen, will das Medienhaus im laufenden Jahr unter anderem Doppelspurigkeiten bei neu gekauften Unternehmen abbauen. Dabei sollen jedoch nicht die Redaktionen unter den Sparhammer kommen, vielmehr werden Administration und Stabstellen unter die Lupe genommen und bei Bedarf gestrafft.

Ringier setzt auf Digital- und Entertainmentdivisionen

Die Veränderung in Ringiers Geschäftsportfolio zeigt sich unter anderem in der Umsatzstruktur einzelner Divisionen: Während der Anteil der Druckdivisionen – Ringiers Sorgenkinder – auf 21 Prozent des Gesamtumsatzes zurückging, stieg der Anteil der Digitalerlöse konzernweit von 10 auf rund 14 Prozent.

Im Geschäftsbereich Schweiz und Deutschland erzielte das Verlagshaus einen Umsatz von 610 Millionen Franken und auch hier soll der prozentuale Anteil des Digital- und Entertainmentgeschäft weiter steigen: „Wir bewegen uns beim Digital-Geschäft jetzt bei 20 und streben die 30 Prozent-Marke in den nächsten zwei bis drei Jahren an. Im Entertainment-Bereich sind es 15, mittelfristig sollen es 20 bis 25 Prozent werden“, sagt Walder im cash-Video-Interview und betont die Wichtigkeit des Heimmarktes.

Dennoch ist auch die geografische Diversifikation ein wichtiges Standbein des Konzerns. Darin unterscheidet sich Ringier klar von anderen Schweizer Verlagshäusern wie Tamedia oder der NZZ. „Die Zusammenarbeit mit Axel Springer in Osteuropa ist sehr erfolgreich und strategisch wertvoll. Wir überlegen uns mittelfristig die Märkte in Ungarn und Rumänien in das Joint Venture einzubringen“, sagt Walder. Der heisse Flirt zwischen Axel Springer und Ringier hat bereits in der Vergangenheit zu Spekulationen geführt, wonach die Verlagshäuser bald zusammen gehen könnten. „Nein!“, entgegnet Walder. Solche Gespräche seien zwar geführt worden; das sei aber schon alles. Eine Fusion ist also nicht geplant.


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